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Ferenc Gyurcsany auf einer Pressekonferenz im Mai.

Foto: REUTERS/Laszlo Balogh

Mehr als 1000 Menschen drängten sich am frühen Montagnachmittag vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft in der engen Zichy-Gasse im Zentrum von Budapest zusammen. Doch nur einer war vorgeladen: Ferenc Gyurcsány, sozialistischer Ministerpräsident von 2004 bis 2009 und Lieblingsfeind des seit einem Jahr regierenden Rechtspopulisten Viktor Orbán.

Die Behörde von Oberstaatsanwalt Péter Polt, einem politischen Vertrauensmann Orbáns, konfrontierte den Ex-Premier mit dem Tatverdacht des Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit einem Immobiliengeschäft während dessen Regierungszeit. An der Ecke zur Hajós-Gasse hatten seine Anhänger sogar eine kleine Tribüne errichtet, auf der der Pro-Gyurcsány-Aktivist Zsolt Gréczy die Parole ausgab: "Wir gehen hier erst wieder weg, wenn der Feri hier heil wieder herauskommt."

Nach einer knappen Stunde war es dann so weit: Gyurcsány schlugen Ovationen entgegen wie einem Pop-Star. Auf der Tribüne berichtete er, was er in dem Verhör den Staatsanwälten angeblich entgegenschleuderte: "Auf Geheiß meiner politischen Gegner machen Sie sich zu Teilhabern an einem billigen Schauprozess. Schämen Sie sich!" Die Oberstaatsanwaltschaft bestätigte dies in einer Stellungnahme indirekt: Gyurcsány habe gegen die Einleitung des Strafverfahrens Beschwerde eingelegt, alle Vorwürfe bestritten und eine "von persönlichen Anschuldigungen nicht freie Erklärung" abgegeben.

Der angebliche Amtsmissbrauch bezieht sich auf einen tatsächlich von Ungereimtheiten überschatteten Immobilien-Deal der Regierung Gyurcsány. Ein amerikanisch-israelischer Investor wollte am Ufer des Velence-Sees eine Kasino-Stadt errichten. Die Liegenschaft erwarb er von der Republik Ungarn im Rahmen eines Grundstücktausches. Auffällig sind die unterschiedlichen Grundstücksbewertungen - auch der Gutachter - und Akte der "Anlassgesetzgebung", um öffentliche Ausschreibungen zu umschiffen. Die von Gyurcsánys Nachfolger Gordon Bajnai gestoppte Investition war "politisch gewollt", denn sie lockte mit über einer Milliarde Dollar Investitionsvolumen und 2500 neuen Arbeitsplätzen. (Gregor Mayer aus Budapest, STANDARD-Printausgabe, 4.10.2011)